Am Tage nach der „Kristallnacht“

Im Jahre 1936 war Hans Bodenheimer als Lehrer der notgedrungen neu eingerichteten jüdischen Schule und als Vorbeter der israelitischen Gemeinde nach Öhringen gekommen und hier bis nach den Ereignissen der „Reichskristallnacht“ geblieben. Was er in jenen Tagen erlebte, schildert er in einem Brief:

Das plötzliche Ausscheiden aus meinem Dienst geschah am 10.11.1938, als ein Mitglied meiner Gemeinde sehr aufgeregt in meine Schulklasse kam und mich aufforderte, die Schüler sofort zu entlassen, da in Nachbarorten Synagogen und Schulen in Flammen stünden. Ich folgte der Aufforderung, entließ die Schüler und verließ Öhringen auf einem Fahrrad in Richtung Affaltrach. Von dort nahm ich den Zug nach Heilbronn. Mittlerweile war es Abend geworden. Ich stand da, einsam und verlassen.

Da die mir bekannten Juden in Heilbronn verhaftet waren, wußte ich keinen anderen Ausweg, als wieder zurück nach Öhringen zu fahren. Man warnte mich allerdings telefonisch, nicht zurückzukommen, da man mich bereits gesucht hatte. Trotzdem fuhr ich zurück und wurde am Bahnhof von einer Nazi-Gruppe mit den Worten begrüßt: „Der Kerl lacht auch noch.“

Nach Lachen war mir ganz gewiß nicht zumute. Ich wurde sofort niedergeschlagen und verprügelt. Den Haupttäter habe ich erkannt. Ich schleppte mich dann in das Haus der Familie Rosenfeld in der Schillerstraße, wo ich über Nacht bleiben konnte. Es war eine schlimme Nacht, immer in der Angst, eine Horde könnte einbrechen und mich abholen. Es geschah jedoch nicht.

Am folgenden Morgen ging ich in meine Synagoge und fand sie innen total zerstört. Der Trümmerhaufen mit heiligen Büchern und Objekten war ein Anblick des Entsetzens. Ich entnahm dem Trümmerhaufen ein Gebetbuch, das ich heute noch als Zeugnis dieses unsinnigen Handelns in Ehren halte. Ein Glassplitter in dem Buch erinnert noch so sehr an diese „Kristallnacht“. Auf meiner anschließenden Flucht von Öhringen nach Bad Mauheim, wo ich mich bei meiner Mutter angemeldet hatte, wurde ich in Frankfurt am Hauptbahnhof verhaftet. Meine nächste Station war das Konzentrationslager Buchenwald.