Zwei Juden totgeschlagen – fünf Jahre Gefängnis
Was die Heilbronner SA unter dem Kommando ihres Standartenführers Eritz Klein im März 1933 bei ihren Aktionen in Öhringen, Künzelsau, Neckarsulm, Möckmühl und Creglingen vor allem Juden angetan hatte, sollte schon damals geahndet werden. Die Landespolizei Stuttgart hatte gegen Klein und Mittäter wegen der Vorgänge in Creglingen ermittelt, wo sechzehn Juden bestialisch mißhandelt worden waren und zwei davon so schwer, daß sie daran starben: der 67jährige Hermann Stern am gleichen Tag und der 53jährige Arnold Rosenfeld acht Tage später. Von der Kriminalpolizei war der Tatbestand restlos aufgeklärt worden, so daß Anklage hätte erhoben werden können. Doch dazu kam es nicht. Der Reichsstatthalter von Württemberg verfügte 1935, daß das Verfahren gegen Klein und Konsorten auf dem Wege der Gnade eingestellt werde.
Im Verhör damals spielte sich der Standartenführer Fritz Klein als der große Nationalsozialist auf, er prahlte mit seinem Haß gegen die Juden und rühmte sich, bei diesen Expeditionen das militärische Kommando geführt zu haben. Er übernahm großsprecherisch die Verantwortung für das ganze Geschehen, beschönigte nichts und bedauerte lediglich, „daß der alte Stern an den Mißhandlungen gestorben ist“. Das sei nicht beabsichtigt gewesen.
Flucht in die Berge
Nach dem Kriege wurde der Standartenführer Fritz Klein gesucht. Französische Offiziere nahmen ihn an seinem Wohnort bei Isny fest, verhörten ihn auch wegen der Geschehnisse in Creglingen und sperrten ihn ein. Später beklagte er sich: „Die Art, wie man mich bei der Vernehmung behandelte, spottet jeder Beschreibung. Drei Monate war ich in Wangen in einem feuchten Keller eingesperrt, wo ich ganz herunterkam.“ nach einem Jahr Internierung wurde er von den Franzosen entlassen. Der französische Offizier habe dabei scherzend zu ihm gesagt, er solle aber keine Juden mehr totschlagen.
Das Verbrechen von Creglingen war damit aber nicht gesühnt. Es bestand ein Haftbefehl des Amtsgerichts Bad Mergentheim. Als Fritz Klein davon erfuhr, flüchtete er. Einige Jahre suchte die Polizei vergebens nach ihm. Er hielt sich auf einem abgelegenen Bauernhof in der nähe von isny versteckt und nannte sich Nikolaus Schmid. Das Ehepaar, das ihm Unterschlupf gewährte, wollte sich bei Klein für frühere Hilfsbereitschaft bedanken. Am 20. April 1951 wurde er am Menerhofer Berg im Wald gestellt, festgenommen und in das Gefängnis Ellwangen eingeliefert.
Der Angeklagte
In Ellwangen stand Fritz Klein am 15. Oktober 1952 vor dem Schwurgericht. Mitangeklagt war ein früherer Gendarm aus Stuttgart. Die Anklage lautete auf sechzehn Körperverletzungen im Amt, davon zwei mit Todesfolge. Der Hauptangeklagte Fritz Klein war jetzt 43 Jahre alt, von Beruf Landwirt in Sommersbach, Gemeinde Beuren im Kreis Wangen, verheiratet, Vater von zwei Kindern. Geboren wurde er 1908 als Sohn eines Landwirts in Pfaffenhofen im Kreis Heilbronn. Nach der Volksschule besuchte er ein Jahr die Landwirtschaftsschule und half bis zu seinem 16. Lebensjahr in der väterlichen Landwirtschaft mit. Kurze Zeit war er noch in Hamburg im Schiffsbau tätig und trat dann in die Reichswehr ein.
Nach einem Unfall schied er zwei Jahre später als Gefreiter aus. Der Reichswehr-Leutnant und spätere SA- Obergruppenführer Ludin besorgte ihm Arbeit in einer Tabakwarenfabrik in Dresden und einen Platz in einer SA-Führerschule. 1931 kehrte Fritz Klein in seinen Heimatort zurück, arbeitete als Provisionsvertreter für die Dresdener Zigarettenfabrik und machte Karriere bei der SA. Er wurde Sturmführer in Brackenheim, 1932 Sturmbannführer und im gleichen Jahr Standartenführer der Standarte 122 Heilbronn.
Der Heilbronner Unterkommissar und Polizei-Chef Dr. Sommer ordnete im März 1933 die Aktionen gegen Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden im Unterland und Hohenlohe an. „Zum Schutz von Volk und Staat“ waren Schupos, Kriminalbeamte und SA-Männer von der Standarte Klein unterwegs, um angeblich Häuser nach Waffen zu durchsuchen. Dabei hat sich keiner grausamer, unmenschlicher und haßerfüllter benommen als Fritz Klein. Das war selbst Dr. Sommer zuviel, weshalb er dem gewalttätigen und unberechenbaren Fritz Klein für weitere Aktionen das Kommando entzog und es dessen Stellvertreter übertrug. In Neckarsulm und Möckmühl mischte sich Fritz Klein dennoch ein, weil es ihm dort zu zahm zugegangen war.
Der Landwirt Klein
Fritz Klein wurde 1934 mit der Führung der SA in Ravensburg beauftragt. Er war nach dem Röhm-Putsch kurze Zeit in Haft und schied nach einem Verfahren vor dem Sondergericht der obersten SA-Führung 1935 aus der SA aus, blieb aber in der Partei. In der Nähe von Isny übernahm er ein landwirtschaftliches Anwesen und war fortan als Landwirt tätig. 1941 wurde er eingezogen, verlor in Rußland drei Finger seiner linken Hand und wurde als dienstunfähig entlassen. In Beuren verwaltete er seinen inzwischen in den Besitz von Dornier übergegangenen Hof und diente seiner Partei als stellvertretender Ortsgruppenleiter.
In Ellwangen angeklagt war er nur wegen der Verbrechen von Creglingen. Die in anderen Orten wie Öhringen und Künzelsau an Juden und Nazi-Gegnern begangenen Körperverletzungen waren verjährt. Der Angeklagte Klein räumte die Taten von Creglingen ein, gab sich reumütig und versuchte jetzt, die Verantwortung auf die Polizei abzuschieben. In Creglin- gen hatte er an einem Samstag den Gottesdienst in der Synagoge unterbrochen, die auf einer Liste aufgeführten sechzehn Juden herausgeholt und auf das Rathaus gebracht.
„Schlagt die Sau tot“
Inzwischen waren auch die Hausdurchsuchungen beendet, aber keine Waffen gefunden worden. Klein wollte jetzt aus den Juden Geständnisse über Waffenverstecke herausprügeln. Jeder wurde in einen Nebenraum geführt, wo er sich über einen Stuhl legen mußte. Einer hielt dem Opfer die Beine fest, ein anderer nahm dessen Kopf zwischen seine Knie. Dann wurde auf den Juden mit einer aus Stahlfedern bestehenden und 225 Gramm schweren Polizeigerte eingeschlagen.
Schrie er, stopfte man ihm Putzwolle oder ein Handtuch in den Mund, fiel er bewußtlos vom Stuhl, wurde ein Eimer Wasser über ihn gegossen und weitergeschlagen. Danach ließ man die Mißhandelten gehen – bis auf den 67jährigen Hermann Stern, der am Boden lag. Klein zu seinen Leuten: „Laßt die Sau liegen und schlagt sie vollends tot, wenn sie nicht mehr aufsteht.“ „Schlagt ihn tot, den Leuteschinder“, hatte es auch aus der Menge gerufen, als Hermann Stern ins Rathaus geführt worden war.
Das Urteil: Fünf Jahre
Gegen den Mitangeklagten früheren Polizeibeamten wurde das Verfahren eingestellt, weil er nach schwerer Kopfverletzung nicht mehr in der Lage war, der Verhandlung zu folgen. Der Angeklagte Fritz Klein erhielt fünf Jahre Gefängnis, auf die Internierungszeit und Untersuchungshaft angerechnet wurden. Das Gericht berücksichtigte die Unreife des Angeklagten zur Tatzeit und seine Reue. Straferschwerend wirkte sich die rohe, brutale und bestialische Art aus, mit der Fritz Klein gegen Menschen vorgegangen war. Der Staatsanwalt hatte fünf Jahre Zuchthaus mit Ehrverlust beantragt. Klein nahm das Urteil an und hatte noch den Wunsch, nicht in einem Sammeltransport, sondern in einem Einzeltransport auf eigene Kosten in das Landesgefängnis gebracht zu werden.
Reinhard Weber