Arthur Ledermann

Wir verreisen…

Um die Jahreswende 1941/1942 erhielt die in Palästina lebende Trude Ledermann über das Rote Kreuz einen Brief ihrer Eltern vom Killesberg in Stuttgart. Er enthielt nur wenige Worte: „Wir verreisen, wenn wir eine neue Adresse haben, schreiben wir sie Dir.“ Trude Ledermann hat von ihren Eltern nie wieder etwas gehört. Die Reise der Eltern führte von Stuttgart nach Riga. Und Riga bedeutete Tod.

Arthur Ledermann wurde 1882 in Öhringen geboren. Er heiratete 1920 Ada Freudenthal aus Gotha, die 1922 Tochter Gertrude zur Welt brachte. Die Familie wohnte in der Unteren Torstraße 22, später Sprudel-Fischer und heute städtisches Wohngebäude.
Arthur Ledermann nahm am Ersten Weltkrieg teil und betrieb danach einen Viehhandel.

Die Einkünfte waren gering, so daß er sich gezwungen sah, Haus und Geschäft schon 1929 aufzugeben. Er handelte danach mit Ölen und Fetten, verdiente 1936 aber auch damit nur etwa 650 Mark. Im Jahr 1937 gab er dieses Wandergewerbe auf. Seine Frau Ada erteilte Handarbeitsunterricht an den jüdischen Schulen in Öhringen, Künzelsau und Heilbronn.

Als einer der Öhringer Juden, denen es an Geld und Beziehungen fehlte, um auswandern zu können, gehörte er zu der Gruppe von Glaubensbrüdern, die in den Jahren 1939
und 1940 für einen Stundenlohn von 25 Pfennigen auf dem städtischen Auffüllplatz und bei der Ausbesserung von Wegen eingesetzt wurden.

Ihren letzten Gang durch Öhringen traten Arthur Ledermann und seine Frau Ada an einem Novembermorgen des Jahres 1941 an. Mit anderen Öhringer Juden und mit wenigen Habseligkeiten zogen sie zum Bahnhof. Sie hatten sich an diesem Tag auf dem Killesberg in Stuttgart einzufinden und wurden mit dem Zug, der am 1. Dezember 1941 Richtung Riga abging, deportiert.

Wenige Wochen später wurden sie bei der Aktion „Dünamünde“ mit vielen anderen Lagerinsassen in einem Waldgebiet erschossen. Arthur Ledermann war 59, seine Frau 51 Jahre alt. Man hatte ihnen erzählt, sie kämen zu leichter Arbeit in eine Konservenfabrik nach Dünamünde. Dieses „Dünamünde“ hat nie existiert.

Ein ähnliches Schicksal erlitten die Mutter und die Schwester von Arthur Ledermann. Sie wohnten ebenfalls in der Unteren Torstraße 22 und wurden 1938 und 1939 kurz hintereinander in das Altersheim Heilbronn-Sontheim eingewiesen und wie die anderen Insassen dieses jüdischen Heimes 1941 und 1942 deportiert. Rosa Ledermann, 85 Jahre alt, kam nach Theresienstadt, Emma Ledermann, 53 Jahre alt, nach Riga, im gleichen Transport wie Bruder und Schwägerin.

Trude Ledermann, einziges Kind von Arthur und Ada Ledermann, entkam dem KZ durch eine frühzeitige Auswanderung nach Palästina. Sie besuchte die Volksschule in Öhringen, die sie 1936 verlassen mußte, danach noch die jüdische Schule in Öhringen.

Im Sommer 1937 konnte sie mit einer Jugendgruppe nach Palästina auswandern, ln Jerusalem ging sie zwei Jahre in eine Haushaltsschule und war danach in Tel Aviv in Haushaltungen tätig. 1942 heiratete sie den aus Hamburg stammenden Julius Strauß. Sie haben zwei Söhne und sieben Enkelkinder.

Gertrud Ledermann, גרטרוד לדרמן
In Mandat zur Einbürgerung in Palästina, 1937-1947

Mit ihren Eltern hatte Trude Ledermann normalen brieflichen Kontakt bis zum Ausbruch des Krieges. Danach durften es nur noch 25 Worte über das Rote Kreuz sein. Die letzten Worte ihrer Eltern kamen vom Killesberg. Was danach geschah, erfuhr Trude Ledermann-Strauß erst nach Kriegsende.

Beitragsbild oben: Trude Ledermann in der Öhringer Schulklasse von 1937