Die Brüder Stern

Rechtzeitig ausgewandert

Einer der ersten Öhringer Juden, die schon im März 1933 am eigenen Leibe zu spüren bekamen, was die Juden unter Hitler befürchten mussten, war Julius Stern. Grundlos wurde er mit anderen Juden und Gegnern des neuen Regimes von auswärtigen SA-Leuten zusammengetrieben, in das Gefängnis am Hafenmarkt gesperrt und misshandelt. Julius Stern war damals 37 Jahre alt.

Mit seinem Bruder Leopold war er 1926 von Olnhausen nach Öhringen gekommen. Gemeinsam betrieben sie einen Vieh- und Pferdehandel, den sie 1938 nach Hetze und Boykott einstellen mußten. Der früh geschundene Julius Stern (1894) wohnte mit seiner Familie am Oberen Tor, Karlsvorstadt 3 und wanderte 1938 mit seiner Frau Martha und den Kindern Ruth, Ilse und Günter in die USA aus. In einem Restaurationsbetrieb fand er Arbeit. Bei der Volkszählung 1940 in New York wird sein Beruf als „dish washer Restaurant“ angegeben.
In der gleichen Wohnung ist ein weiterer Bruder von Julius aus Olnhausen, Max mit Frau Lina untergebracht.

US-Volkszählung 1940 für Julius Stern in New York

Die älteste Tochter Ruth, 1925 geboren, konnte bis 1936 die Volksschule besuchen, wurde aber in keine höhere Schule aufgenommen. Wie die 1929 geborenen Zwillinge Ilse und Günter ging sie in die 1936 gegründete israelitische Schule in Öhringen. Ihre schulische Ausbildung setzten die Kinder in den USA bis zur Highschool fort, mussten den Schulbesuch aber abbrechen, da sie für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen hatten. Ruth heiratet Norbert Manasse. Alle drei Geschwister lebten in New York.

Leopold Stern (*1897), Kriegsteilnehmer, mit dem EK II und der württembergischen Militärverdienstmedaille ausgezeichnet, wohnte mit seiner Familie zuerst in der Schulgasse, dann in der Unteren Torstraße bei Kocherthaler. Ein Jahr nach der Familie seines Bruders wanderte auch er mit seiner Frau Henriette (Henny) und zwei Kindern in die USA aus. Er fand eine Stelle als Vorarbeiter in einer „Autofactory“ und später nach einer schweren Krankheit eine Beschäftigung in der Fleischgroßhandlung seines Schwiegersohnes.

Tochter Anneliese wurde 1927 in Öhringen geboren, mußte die Schillerschule verlassen und in die israelitische Schule überwechseln. Bis zu ihrer Heirat 1947 war sie in den USA als Haushaltshilfe tätig. Sie wählte wie ihr Bruder New York als Wohnsitz.
Ihr 1930 geborener Bruder Walter verbrachte seine ersten Schuljahre in der israelitischen Schule Öhringen, erlernte in New York einen kaufmännischen Beruf und starb 1990.

New York, USA, Einberufungskarten der Nationalgarde von New York, 1917-1954 für Walter Stern, Subseries 3: Served After WWII (1945-1954)

Beitragsbild oben: New York, USA, bundesstaatliche und föderale Einbürgerungsregister, 1794-1943 für Leopold Stern