Josef Westheimer

Der Tod im Jungfernhof

An einem der letzten Dezembertage des Jahres 1938 wurde ein Leiterwagen die Straße zum Galgenberg hochgezogen, darauf eine sargähnliche Kiste und in der Kiste der Leichnam von Josef Westheimer. Er war einer der Juden, die in der „Reichskristallnacht“ festgenommen und nach Dachau gebracht worden waren. Dort musste er vom 10.11.1938 bis 12.12.1938 zubringen. Danach kam er nach Öhringen zurück, aber halb totgeschlagen. Er lebte nur noch wenige Tage und starb am 25.12.1938 in Öhringen. Auf dem jüdischen Friedhof auf dem Galgenberg ist sein Grabstein an der unteren Seite zu finden. Einer erinnert sich: Eine schaurig-stille Beerdigung, eine kleine Gruppe am Grab, voller Angst.

Josef Westheimer stammte aus Berlichingen, erhatte am Ersten Weltkrieg teilgenommen, war Gefreiter und mit dem EK II sowie mit der württembergischen Militärverdienstmedaille ausgezeichnet worden. Mit seiner Familie wohnte der Viehhändler Westheimer seit 1923 in einem der Altbauten, die an der Stelle der heutigen Markthalle Bort standen.

Die Einkünfte aus dem Viehhandel waren bescheiden, sie erreichten im Jahr kaum 2.000 Mark und gingen nach 1933 noch weiter zurück. Der Boykott jüdischer Viehhändler zwang Josef Westheimer, den Viehhandel im Jahr 1936 ganz aufzugeben.

Bahnhofstraße 10 am „Ochsenhandel“, das Haus steht nicht mehr

Der 1878 in Berlichingen geborene Josef Westheimer heiratete 1913 Berta Ledermann aus Öhringen und hatte mit ihr drei Töchter, Selma wurde 1914, Ruth Ilse 1920 und Beatrice- Blanka 1926 in Öhringen geboren.
Nur Selma entkam der „Endlösung“. Im Jahre 1934, gerade 20 Jahre alt, zog die „blitzsaubere“ Selma nach Stuttgart. Drei Jahre danach konnte sie nach Argentinien auswandern, wo sie Ernesto Wahle heiratete.

Für Berta Westheimer und ihre beiden Töchter Ilse und Beatrice wurde die Not immer größer. Man wagte sich kaum noch unter die Leute. Eine Nachbarin kaufte heimlich ein und stellte die Sachen nachts vor die Tür der Westheimers. Des öfteren stand dort auch Essen. Doch dürften die Unerträglichkeiten des Alltags die beiden Töchter veranlasst haben, Öhringen zu verlassen. Nach den Wiedergutmachungsakten meldete sich Ilse nach München und Beatrice 1939 nach Heilbronn ab. Den gleichen Akten ist aber zu entnehmen, dass die Mutter und Beatrice am 1. Dezember 1941 von Stuttgart aus nach Riga transportiert und im Lager Jungfernhof ermordet wurden. Als Todesdatum wird in den Akten der 27. März 1942 angegeben. Berta Westheimer wurde mit 52 Jahren, Ilse mit 21 und Beatrice mit 15 Jahren ermordet.

In der Stadt München ist für Ruth ebenfalls ein Stolperstein verlegt:
Ruth Ilse Westheimer, Kontoristin , Schwesternschülerin, geboren am 27.06.1920 in Berlichingen, Kr. Künzelsau, ledig, deportiert am 20.11.1941 aus München nach Kaunas, ermordet am 25.11.1941 in Kaunas (05. Kislev 5702).
Eltern Josef Westheimer, Kaufmann in Öhringen und Bertha Westheimer, geb. Ledermann
Adressen in München:
Zugezogen am 09.09.1939 von Öhringen
– Hermann-Schmid-Straße 5 – IKG Krankenheim (seit 09.09.1939)
– Flachsröste Lohhof – (seit 06.08.1941)
URL für diesen Datenbankeintrag:
https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=361

Beitragsbild oben: Das Haus Westheimer in der Bahnhofstraße 10 (das Haus steht nicht mehr)