Louis Kaufmann

Der Poststraßen-Bäcker

Eine der zahlreichen Bäckereien, die es in den dreißiger Jahren in Öhringen gab, war die Bäckerei Kaufmann in der Poststraße, heute die Bäckerei Trunk. Betrieben wurde sie damals von Louis Kaufmann, der 1882 in Olnhausen geboren wurde, 1908 in Öhringen Martha Ledermann heiratete und ein Jahr später das Anwesen in der Poststraße 51 erwarb. Das Einkommen aus der Bäckerei war mäßig und wurde zuletzt mit etwa 1800 Mark jährlich angegeben.

Louis Kaufmann gab die Bäckerei schon 1934 auf. Ob aus politischen, geschäftlichen oder persönlichen Gründen ist nicht bekannt. Der Betrieb war schon eingestellt, als 1934 der aus dem Kochertal kommende Bäcker Wilhelm Göltenboth auf der Suche nach einer Bäckerei nach Öhringen kam. Zunächst pachtete er die Bäckerei Kaufmann, zwei Jahre später kaufte er das Anwesen. Louis und Martha Kaufmann konnten auswandern.

Die Bäckerei 2021

Das Ehepaar Kaufmann wohnte bis 1936 in Öhringen. Es hatte zwei Kinder. Max wurde 1909 und Else 1914 geboren. Max bereitete sich nach dem Besuch des Progymnasiums auf eine berufliche Ausbildung vor, sah aber für Juden keine Zukunft in Deutschland und wanderte schon 1927 nach den USA aus. Die Schwester Else kam 1934 nach. Als die Gefahr für die Juden in Deutschland immer größer wurde, sorgte Max Kaufmann dafür, daß seine Eltern 1936 nach San Francisco kommen konnten. Louis Kaufmann starb dort schon ein Jahr später im Alter von 55 Jahren. Martha Kaufmann lebte bis 1968, ihre Tochter Else bis 1975.

Der Anfang für Wilhelm Göltenboth war doppelt schwer. Die neuen Machthaber sahen in der von ihm gepachteten Bäckerei nach wie vor einen jüdischen Betrieb. Das Geschäft stand auf der schwarzen Liste der Gauhandwerkskammer und wurde boykottiert. Parteigenossen waren aufgefordert, diese Bäckerei zu meiden. „Kauft nicht bei Juden“, lautete die Parole. Da zu den Kunden weiterhin auch die in Öhringen noch lebenden Juden gehörten, machten sich Provokateure wichtig. Sie betraten den Laden und riefen: „Hier stinkt’s nach Juden“. Dann gingen sie wieder.

Hach dem Kriege, als es um die Rückerstattung jüdischen Besitzes oder um Nachzahlung ging, gab Martha Kaufmann schriftliches Zeugnis darüber, daß der Verkauf der Bäckerei an Wilhelm Göltenboth aus freien Stücken ohne jeden Druck und zu einem zeitgemäßen Preis erfolgt war. Damit verzichtete sie auch im Namen ihrer Kinder auf eine Nachzahlung, wie sie nach dem Kriege von den meisten Erwerbern jüdischen Besitzes an die IRSO (Jewish Restitution Successor Organization) geleistet werden musste.

Max Kaufmann lebte in San Francisco. Er hat immer geträumt, einmal in seine Heimatstadt zurückkehren zu können. 1993, sollte es wahr werden. ln den Prospekten, die ihm zugesandt wurden, konnte er nur schwer die Stadt wieder erkennen, die er verließ, als sie 3.500 Einwohner zählte. Max Kaufmann starb 1997 ein Jahr vor seiner Frau Rosa Singer in San Francisco.