Flucht nach Drohbriefen

Obwohl Hansi Kahn erst 14 Jahre alt war, als sie im März 1933 mit Eltern und Geschwistern fluchtartig Öhringen verließ, ist die Stadt ihrer Kindheit in ihrer Erinnerung lebendig geblieben. Mit Öhringer Freunden, zu denen Walter Bässler zählte, steht sie in einem engen brieflichen Kontakt, der für persönliche Verbundenheit spricht. 1st Klassentreffen, möchte Hansi nicht fehlen – heute Frau Morbach aus Hew York und eine weitgereiste Dame mit 74.

Louis Kahn, der Vater von Hansi Morbach, wurde 1888 im luxemburgischen Medernach geboren und kam vor dem Ersten Weltkrieg nach Öhringen, wo er mit der 1895 geborenen Selma Kocherthaler eine zweite Ehe einging, nachdem seine erste Frau nach einer schweren Geburt verstorben war. Die Familie mit ihren drei Kindern Hansi, Rolf und Annelies wohnte in der Unteren Torstraße. Mit Hugo Levi, der in der Karlsvorstadt wohnte – der mit Frau und Sohn von den Nazis umgebracht wurde – führte er eine Viehhandlung.

Drohbriefe hatten Ludwig Kahn veranlaßt, im Frühjahr 1933 Öhringen über Nacht zu verlassen. Mit Frau und drei Kindern flüchtete er nach Luxemburg, dessen Staatsbürgerschaft er besaß. In Luxemburg hoffte er mit seiner Familie sicher leben zu können.

Das unbehelligte Leben in Luxemburg dauerte nur sieben Jahre. Beim Einmarsch der deutschen Truppen 1940 begann für die Familie Kahn wieder die Flucht. Sie gelangte nach Südfrankreich und wanderte 1941 von Casablanca in die USA aus, nur Hansi blieb vorerst in Frankreich. In den Vereinigten Staaten fand Ludwig Kahn als Packer Arbeit. Er starb 1966, seine Frau Selma 1982.

Die älteste Tochter Johanna (Hansi) wurde 1919 geboren, besuchte vier Jahre die Volksschule und bis zur Flucht ihrer Eltern noch vier Jahre das Progymnasium. Im Fröbel-Seminar in Luxemburg legte sie das Examen als Kindergärtnerin ab. Als Erzieherin war sie illegal in Frankreich tätig, wo sie während des Krieges heiratete. Mit Mann und Kind siedelte sie 1947 in die USA über. Als Mitarbeiterin einer Airline und Leiterin von Reisegruppen ist Hansi Morbach-Kahn noch viele Jahre tätig.

1995 gab Hannah Morbach ein Interview, Dauer 30 Minuten
Visual History Archive Online Hannah Morbach
https://vhaonline.usc.edu/viewingPage?testimonyID=4159

Auch Rolf Kahn, 1921 geboren, besuchte von 1929 bis 1933 die Volksschule Öhringen und danach die Schule in Luxemburg. Mit den Eltern nach USA gekommen, gründete er dort später ein Schreibmaschinengeschäft, starb aber schon 1971.

Die 1922 geborene Annelies ging wie ihr Bruder Rolf in die Öhringer Volksschule bis 1933, sie setzte ihre schulische Ausbildung in Luxemburg fort, arbeitete in USA als Friseurin und heiratete 1948 in New York den Kaufmann Walter Tannenbaum.